China 2019

Die Peking-Tagung, zu der die wir überraschender Weise von der Rosa Luxemburg-Stiftung (RLS) eingeladen wurden, fing komfortabel an. Als wir am Flughafen Berlin-Tegel eincheckten – viel zu früh, weil wir unsere Visa vorher noch aus Wannsee abholen mussten – bekamen wir den Aufenthalt in der Lounge des Terminal C dazu. Dort konnten wir uns bis zur Bordingtime aufhalten, Getränke und Imbiss inklusive. In der Lounge habe ich dann nach der CO2-Abgabe für diesen Langstreckenflug gegoogelt und tapfer bezahlt. 
Der Flug war wie erwartet eng, ungemütlich, laut, mit wenig Schlaf.

Das Frühstück am nächsten Morgen findet im „Freundschaftspalast“ des Hotelkomplexes statt. Auf der Karte im Zimmer steht: Frühstück von 7-10 Uhr. Als wir um 8:50 Uhr dort auflaufen, ist fast alles leergefuttert. Den Kaffee gibt es in 10 l-Behältern – a la Jugendherberge – und so schmeckt er auch.
Nach dem Frühstück studieren wir nochmal die Reiseführer*in, Stadtplan und Metroplan. Wir wollen zum Sommerpalast. Zuhause bei „Tante Google“ sah es so aus, als sei er nur 1 km von unserem Hotel entfernt – es sind aber 5 km, die wir nicht laufen wollen. Also ab zur U-Bahn – eine Haltestelle ist in der Nähe. Als wir aus unserem Hotelkomplex kommen, sehen wir eine Reihe von Taxen, die hier auch nicht teuer sind. Doch der Taxi-Fahrer winkt ab, als ich ihm die Adresse Sommerpalast (auf Chinesisch aus der Reiseführer*in) zeige. Also doch U-Bahn.
Das U-Bahn-Fahren erweist sich als leichter als gedacht. Die Ticket-Automaten „sprechen“ Englisch mit uns und während wir noch überlegen, kommt eine junge Chinesin und hilft uns auf Englisch weiter.
Als nächster Stolperstein erweist sich die Kasse am Sommerpalast. Barsch fordert die Dame dahinter unsere Pässe ein, als ich 2x den Tagespass kaufen will (2x 50 Yuan). Brummelnd tippt sie auf mein Foto und sagt „old“. Wie? – das Foto ist alt? Ich will die Brille abnehmen, um zu zeigen, dass ich ich bin. Da schreibt sie auf einen Zettel: 60 = free. Über diese Situation lachen wir noch Stunden später. Wie wir hier erstmalig erleben, ist für Oldies über 60 der Eintritt in die meisten Sehenswürdigkeiten umsonst oder stark reduziert – auch für Tourist*innen aus dem fernen Europa.

Heute ist der 1. Workshop-Tag, der als Exkursionstag angelegt ist.

Mit einem kleinen Bus geht es an den nördlichen Rand von Beijing. Mit an Bord neben Michael und mir ein weiterer deutscher Referent aus Mec-Pom. Dazu ein Dolmetscher, von der KP der Vertreter für interne Beziehungen, der Chef der KP XUE Weijiang, eine Vertretung der Parteihochschule sowie ein Philosophie-Prof der Hochschule. Also doch schon ganz schön hochkarätig besetzt. Schon im Bus führen sie mit uns politische Grundsatzdiskussionen, wobei der KP-Chef nicht vergisst, die KP auf dem Gebiet der Ökologie über den Klee zu loben.

Vormittags haben wir ein „Unternehmen“ besichtigt, dass sich dem Biolandbau widmet, geleitet von einer sehr engagierten Genossin und NGO-Frau – SHI Yan -  die auch gegenüber dem KP Chef auf ihrer Meinung besteht. Eine wirklich taffe Frau, die wir am nächsten Tag beim Workshop in Beijing wieder treffen.

Wir packen die Koffer, weil wir nach dem Workshop in ein anderes Hotel wechseln wollen, das wir von zuhause aus für uns gebucht hatten. Die Mitarbeiterin der RLS wollte uns das eigentlich ausreden, weil die CPS für die nächste Nacht noch das Hotelzimmer bezahlt hat, aber das Vorzeige--CPS-Hotel ist nicht „unseres“ und wir wollen ins „echte“ China. Wir sind mit einer Staff der CPS verabredet und geben daher gegen 8 Uhr unsere Hotelcards an der Reception ab. Aufgeregtes Chinesisch begleitet diesen Vorgang. Da sie uns aber nicht ansprechen, stellen wir uns etwas abseits und warten auf unser pick-up. Diesmal werden wir nicht mit einem VIP-Bus abgeholt, sondern von einem SUV mit 6 Sitzen, der uns auf den Campus der CPS-Hochschule fährt.

Da wir dort zu früh ankommen, bekommen wir einen Rundgang über den Campus spendiert. Teile der Architektur sind dem Sommerpalast nachempfunden, wie uns stolz erklärt wird. Und der Campus ist wirklich sehr beeindruckend. An einem künstlichen See fotografiere ich schwarze Schwäne. An diesem See liegt die Rekonstruktion eines historischen Schiffes, auf dem sich Mao irgendwann mit irgendwem getroffen hat. Konkreter wird es nicht oder ich verstehe das chinesische Englisch nicht und hoffe darauf, dass MB Bescheid weiß – tut er aber nicht. 😉. Egal: Das Boot ist hübsch und historisch auf einem Foto dokumentiert. Unterwegs fotografieren wir im Park die Büsten von Marx und Engels sowie von Mao im Park. 

Dann wird es Ernst – der Workshop fängt an. Schon an den Türen werden wir von Staffs in die richtige Richtung gewiesen, die Fahrstuhltüren werden für uns aufgehalten und wir werden insgesamt „gepampert“.

Der Workshop beginnt mit einem Statement des KP-Sekretärs, mit dem wir schon gestern auf der Exkursion waren und einer Einführung von Jan für die RLS. Durch die Beiträge der chinesischen Referent*innen zieht sich der Beschluss des KP-Parteitages 2018, auf der Präsident der VR China Xi Jinping verkündete: „Die 5. Säule der chinesischen Entwicklung ist die Öko-Zivilisation.“  Das hat konkrete Auswirkungen auf das Land. Dreckschleudern wie Stahlwerke im Norden wurden geschlossen, in Beijing fahren (neben vielen Autos) nur noch E-Roller/Mofas.

Die Nacht war ruhig und kühl, nur am frühen Morgen, als die ersten Gäste aufbrachen, wurde es unruhig. Kein Wunder bei den einfachen Holztüren/-wänden. Der Plan für heute: In Beijing umherwandeln, Atmosphäre schnuppern und fotografieren.

Und genau das tun wir auch. Schlendern durch „unseren“ Hutong, werden von den zahlreichen E-Rollern, die mensch meist nicht hört, eng passiert, aber niemals angefahren. Großes Ziel ist eigentlich das nördliche Stadtviertel, in dem wir wohnen. Doch wir kommen schnell vom Ziel ab und orientieren uns nun in Richtung „Verbotene Stadt“ (der Zutritt in die Verbotene Stadt war in der Kaiserzeit nur ihm selbst sowie seinem engen Hofstaat erlaubt). Aus dem Hutong heraus geht es auf verkehrsreiche Straßen, bei dem das Queren trotz Ampeln immer noch abenteuerlich ist, weil alle rechts abbiegenden Fahrzeuge meinen, sie hätten bei Rot trotzdem noch Vorfahrt. Aber kein Vergleich zu dem Kamikaze-Verkehr in Kairo, meint MB und wenn ich mich an den Verkehr in Hanoi erinnere, dann geht es hier doch harmlos zu.

Am Morgen beim Frühstück trifft MB zwei US-Amerikaner. Greg Tanaka, Hochschullehrer und promovierter Wissenschaftler zu Kultur und Umwelt, kommt aus San Francisco und hat ein Buch über die schädliche Rolle des Kapitals für die Kultur geschrieben. Greg informiert uns dann über den Besitzer der Red Capital Residence Laurence. Wir tauschen uns über unsere gegenseitigen Biografien aus und Greg meint, wir sollten uns mit Laurence mal treffen. Hat diesmal leider nicht geklappt. Aber wir haben nach unserer Rückkehr aus China dem RLS-Büro in Beijing die Kontaktdaten von Laurence geschickt – vielleicht bahnt sich ja da eine Zusammenarbeit an (und hochkarätige Expert*innen zum Ökosozialismus werden noch mal eingeladen 😉)

Die beiden US-Amerikaner zeigen uns den Bunker unter der Red Capital Residence. Durch einen Kellerdurchgang im Hof geht es recht abenteuerlich über sehr sehr tiefe Stufen nach unten in den Untergrund. Dieser z.T. beschwerliche Abstieg endet in einem Gewölbekeller mit Versammlungsraum. Hier soll sich angeblich Mao mit seinen Genoss*innen konspirativ getroffen haben. Verdurstet sind die offensichtlich nicht. Im Regal fanden wir noch einige verstaubte Weinflaschen.

Als ich morgens aufwache, merke ich als erstes meine Füße. Die Fußsohlen brennen immer noch. Zwar kein Vergleich mit gestern Abend, aber …aua!

Wir stehen etwas später auf, wir wollen es ja heute etwas langsamer angehen lassen. Als wir in die Bar oder die Rezeption – oder wie immer mensch den Raum nennen will - kommen, wo sich „unser“ E-Kamin befindet, steht dort ein älteres Pärchen und lamentiert laut auf Englisch, dass sie mit dem Zimmer nicht zufrieden sind. Die „diensthabende“ Chinesin versteht davon nichts und versucht es mit dem Handy-Translator. Dass der nicht funktioniert, haben wir gestern laut lachend zur Kenntnis genommen. Wir wollten unser Feierabend-Bierchen bezahlen und der Translator antwortete uns: „Ich habe dem schwulen Mann gesagt, er solle seine Stromrechnung ohne die Regierung bezahlen.“ Wir waren uns dann mit der guten Frau einig, dass wir heute Morgen beim Frühstück bezahlen werden. Das Lamentieren des Paares führte dann zu einem aufgeregten Telefonat der Chinesin und einige Zeit danach kam der englischsprachige Mitarbeiter und klärte, was zu klären war.

Nach dem Frühstück sind wir dann zum Lama-Tempel aufgebrochen, von dem uns Greg schon ein Foto mit einer 18 m hohen Buddha-Statue gezeigt hatte.

Der Tag fängt an, wie der letzte aufhörte. Nach dem Frühstück laufen wir los und nach 500 m merke ich, dass ich mein Handy vergessen habe. Also noch mal zurück, genau das, was ich brauche. Ich habe nicht sonderlich gut geschlafen und bin immer noch pflastermüde. Aber, was solls.

Aus Wettergründen haben wir uns heute die Ming-Gräber ca. 40 km nordwestlich von Beijing  vorgenommen. Das Wetter-App sagt, dass es mittags bedeckt ist und die chinesische Mauer möchten wir – wenn möglich – doch an einem späteren Tag bitte bei blauem Himmel genießen.

Nach dem Frühstück geht es in Richtung Trommelturm und Glockenturm. Gegen Mittag sind wir da und besteigen zuerst den Glockenturm, da die Trommelvorführung erst wieder um 13.30 Uhr stattfindet.

Der Glockenturm bietet neben dem Glockendurchmesser – 7,02m – einen tollen Rundblick auf das alte und neue Beijing. Die hohen Stufen sind - wie auch später im Trommelturm - eine echte Herausforderung. MB meint, die Stufen seien 30 cm hoch gewesen, ich tippe eher auf 40 cm. Auf jeden Fall sind wir ordentlich am Pumpen, als wir oben ankommen. Die Trommelaufführung – wenn auch nur kurz – war sehr beeindruckend. 3 Chinesen in chinesischen Roben schlagen gemeinsam unterschiedliche Takte auf den Trommeln.

Erwähnenswert auch noch der Chinese, der auf dem Vorplatz vom Glocken- und Trommelturm 4 zahme Vögel vorführte und schon fast erbost das Trinkgeld einer Amerikanerin zurückwies. Trinkgeld ist in China nirgends üblich.

Heute war der lang ersehnte „Mauertag“. Um 6 Uhr klingelte der Wecker. Weil wir so früh dran sind, lernen wir, dass die chinesische „Nachtschicht“, im Aufenthaltsraum schläft. Der Diensthabende muss noch schnell seine Nachtwäsche zusammenpacken, als MB dort ankommt

Über unseren „Mauertag“ haben wir länger nachgedacht und ein bisschen rumgesucht. Es gibt kleine Touristenbusse, die karren einen dahin, eine Tages-Taxi-Tour kostet um die 1.000 Yuan (rd. 120 €). Dann mussten wir noch noch entscheiden, an welchen Mauerabschnitt es gehen soll, Mauer komplett restauriert, mit Seilbahn und Rutsche; ein etwas steilerer Anstieg oder das „Verlorene Dorf“, das von der Mauer getrennt wird.

Unseren letzten Tag in Beijing lassen wir langsam anfangen. Schlafen bis 9 Uhr, Frühstücken und dann langsam los. Auf dem Plan stehen der Himmelstempelpark – das letzte der „must have“ in Beijing und noch mal der Panjayuan-Markt, da ich ja das Mao-Plakat liegen gelassen habe und MB eigentlich gern noch mehr von Mao hätte.

7 Uhr aufstehen, Kofferpacken und froh sein, dass der Koffer noch zugeht. Frühstücken und los geht es. Wir laufen ein letztes Mal durch unseren Hutong, Richtung Subway-Station Dongsi.